Simbabwe


Im vorigen Jahr erfuhr ich, dass ich über ein Umweltschutzprojekt in Simbabwe berichten soll. Außer den allgemein bekannten „Eckdaten“ wusste ich nicht viel über das Land am anderen Ende der Welt, im südlichen Afrika. Doch ich hatte Glück! Ich traf David, der dort gelebt und (nicht nur) Simbabwe bereist hat. Seine lebendige Erzählung verriet, was mich erwarten würde:

Zimbabwe (es wird im Englischen mit Z, im Deutschen mit S geschrieben) ist in vielerlei Hinsicht sehr interessant. Die beste Erfahrung in diesem Land sind für mich die Menschen. Nahezu jeder ist freundlich, offen, hilfsbereit und sehr kommunikativ. Dank einem der besten (früheren) Bildungssysteme Afrikas spricht die Mehrheit gutes Englisch. Doch das Land ist auf Grund seiner Geschichte sehr kontrovers, zerrissen und am Boden zerstört.
Zimbabwe, das vorher Rhodesien hieß, wurde nach einem 15-jährigen Bürgerkrieg 1980 von Großbritannien unabhängig. Nach dem Unabhängigkeitskampf gegen die englischen Kolonialherren lebten Weiße und Schwarze  friedlich mit- und nebeneinander. Hier gab es nie ein derart menschenverachtendes SYSTEM wie die Apartheid in Südafrika, sondern nur die "üblichen" Ungleichgewichte was Wohlstand, Landbesitz, Freiheiten, etc. zu Gunsten der Weißen betraf. Nach seinem Amtsantritt 1980 begann Präsident Mugabe mit der Umstellung der Wirtschaftspolitik. Der Präsident ließ fast alle weißen Farmer enteignen und überschrieb die Güter (aufgeteilt in kleinere Ländereien und damit per se schon unproduktiver als große) schwarzen Familien –  Land wurde meist denjenigen übertragen, die Landwirtschaft vorher nicht betrieben und so gar nicht wussten, wie man produktiv wirtschaftet. Das ging schief. Die Wirtschaft kollabierte.

Zimbabwe, das vormals der Brotkorb Afrikas war (Mitversorgung der Nachbarländer), dessen Währung als afrikanischer Dollar galt und das auch nach Europa verblüffend viel exportierte, war nun bestimmt von Inflation, Güterknappheit (leere Supermärkte), Hunger, Wasserunterversorgung und all solch grausigen Dingen. Zehntausende Menschen starben.
Die Weißen im Land: Die, die nicht flohen oder umgebracht wurden, haben sich neue Existenzen aufgebaut. Dennoch ist hier kein latenter bis offener "Rassenhass"  wie in Südafrika ausgeprägt. Er ist vorhanden, ja, aber eher unterschwellig.

Inzwischen hat sich die Situation etwas gebessert. Es gibt wieder Produkte im Supermarkt, der Dollar ist offizielle Währung und der südafrikanische Rand wird auch akzeptiert - zusätzlich zu den anderen Nachbarlandswährungen in grenznahen Gebieten. Die Auswahl an Lebensmitteln ist (noch) begrenzt: Ein großer amerikanischer Getränkehersteller dominiert den Getränkemarkt. Bar-, Imbiss,  selbst Schulschilder! werden mit seinem Logo bedruckt. Die Wirtschaft liegt immer noch brach. Ausländische Minengesellschaften produzieren. 
Dadurch wird das Land nicht reich, nur die unmittelbar an der Produktion Beteiligten, einschließlich der Lizenzgeber. Essen kauft man am billigsten an Supermarkt-Imbisstheken, auf der Straße oder in kleinen Läden. 
Sadza ist die bekannteste Hauptmahlzeit:  Maisbrei mit manchmal undefinierbaren Beilagen, meist Radish/ Umrochu (so eine Art langstengeliger Kohl/ähnelt Mangold an einem Maispflanzenstiel) oder Rindfleisch. 
Das Fleisch schmeckt hier großartig. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit sucht jeder nach seinem Auskommen, indem er irgendetwas verkauft, egal wo: an Autokreuzungen, im Bus oder im Zug - mitten in der Pampa vom Schattenflecken am Wegrand aus.


Mit Wasserausfall muss immer und überall gerechnet werden. Es kann aber auch passieren, dass man auf dem Nachhauseweg vom plötzlichen Erlischen der Straßenlaternen überrascht wird – Stromausfall! Das sind die üblichen Engpässe, teils kontrolliert und ohne Ankündigung oder Regel, hervorgerufen durch marode Technik. Dann laufen die Generatoren an und die Kerzen werden erleuchtet. Strom gibt es auch nur in der Nähe größerer Siedlungen;  Wasser kommt selten aus Rohrleitungen, eher aus Pumpenbrunnen oder Flüssen.

Alkoholismus ist ein krasses Problem und leider weit verbreitet in Afrika (wo ich war). Bei Betrunkenen muss man auf der Hut sein. Mir ist nichts passiert und generell wird in Zimbabwe eher Gewalt angedroht als ausgeübt – im Gegenteil zu Südafrika. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit sucht jeder nach seinem Auskommen, indem er irgendetwas verkauft, egal wo: an Autokreuzungen, im Bus oder im Zug - mitten in der Pampa vom Schattenflecken am Wegrand aus. 

Trotz der Armut besticht, was ich wohl immer wiederholen werde,  die Herzlichkeit und die liebenswerte Ausstrahlung, das Lächeln und die Freundlichkeit der Leute. Da es der Mehrheit der Leute wirtschaftlich nicht sonderlich gut geht, (außer den oberen 10%), halten sie zusammen. Das Motto hier: Wenn ich Geld für zwei Mahlzeiten habe, dann lade ich meine Nachbarn ein und morgen schauen wir aufs Neue, wie es weitergeht. Eine Solidarität, die fast schon befremdlich wirkt. Für einen jungen Westeuropäer zumindest, der diese Art der Verbundenheit nur aus Erzählungen kennt...

Die Menschen sind oft an einem interessiert, neugierig auf Leute, die das Land  trotz der gegenwärtigen Situation besuchen. Ja, man wird  auch angesprochen, man solle doch dies kaufen oder jenem Geld geben. Wenn man seinen Wohlstand nicht provokativ zur Schau trägt und respektvoll und ebenso freundlich und verständnisvoll mit den Leuten umgeht, dann wird man auch für Geiz nicht zwingend angefeindet. Und ein paar Cent bringen keinen Europäer um, oder? Leider ist das mit den Cents so ´ne Sache. Man denkt in Deutschland immer, Afrika sei spottbillig, ist es aber nicht im südlichen Afrika. Zentralafrika ist da wohl anders. Waren, die man in Zimbabwe im Supermarkt kauft, sind 2x teurer als in Deutschland. Alles muss importiert werden. Sachen, die auf der Straße angeboten werden, sind billiger.

Neben dem turbulent-belastenden, aber hochinteressanten, bunten Stadtleben herrscht auf dem Land noch traditioneller Afrika-Alltag: Viele Lehmhütten, mit Ried gedeckt, neben kleinen Feldern, umzäunt aus abgeschnittenen Dornbüschen und Stockgeflecht, Rinderherden, die wild die Straßenseite wechseln, Antilopen und Warzenschweine.
Zimbabwe ist ein grünes Land. Relativ grün zumindest - je nach Jahreszeit (Regenzeit ist im Europawinter), es gibt nur wenig Steppe oder Einöde.
Zimbabwer sind sich ihrer Traditionen bewusst, leben diese teilweise immer noch kräftig und so verwundert es sich nicht, dass ein Steinvogel als Flaggenemblem gewählt wurde, der aus den Ruinen von GREAT ZIMBABWE stammt. Die Anlage stammt aus dem 14. Jahrhundert und wurde die bis ins 17. erweitert und genutzt. Steinwände ziehen sich auf einen Burghügel, große Mauern auf der Spitze trennen die Anlage vom Rest. Auf der Ebene darunter gibt es überall Ruinen, meist nur Steinwände und eine teils 15 m hohe Ringmauer mit Gebäuderesten und einem Steinkonus darin. Alles ist aus Steinplatten geschichtet - ohne Mörtel, teils mit aus der Anordnung enstehendem Muster. Hunderte Jahre bauten die Menschen Hütten zwischen diesen Mauern, deren Zweck noch unklar ist, verarbeiteten Gold zu Schmuck und betrieben Handel mit arabischen Ländern, Indien und sogar China. In den Ruinen kann man frei herumlaufen. Aufpasser interessieren sich in der Regel nicht für Besucher und Absperrungen gibt es erst gar nicht. Ein Museum, einfach strukturiert, erklärt Geschichte und damaliges Leben.

Der Matopos Naturpark zeichnet sich durch groteske Granitformationen aus, die teilweise riesige Blöcke stapeln oder immens gigantische abgerundete Kuppen aus blankem Stein bilden. Darin wieder Tiere, sogar Nashörner und Leoparden. Auf einem der Hügel liegt Cecil Rhodes. Unter manchen Blöcken oder in Grotten finden sich Malereien der San (Buschmänner), dem alten Natur-Jäger-Sammlervolk. Diese Tier- und Menschenabbildung sind teilweise tausende Jahre alt. 

Die Eastern Highlands an der Grenze zu Mozambique sind fantastische, teils sehr regenreiche Bergregionen. Ausgedehnte Eukalyptus - und Kiefernnutzwälder, dann wieder grüne Ebenen, schroffe Berge, Riesengrillen, rotlehmiger Boden, stacheliges Gras, kalte Bäche mit Forellen und Wasserfälle – und total einsame Gegenden, da nicht alle Wege im Nationalpark befahrbar sind.

Die errichteten Touristen-Ferienhäuser und die großen Zeltplätze werden kaum benutzt und sind fast leer. Falls man dort übernachtet, wird der Boiler mit Holz befeuert, um warmes Wasser zu erhalten.

Chimanimani  ist seit 1950 ein Nationalpark in Zimbabwe und liegt im östlichen Hochland. Man kommt nur zu Fuß hin, alles ist trocken und steinig, „sehr „afrikanisch“. Höchster Berg im Chimanimanigebirge ist der Monte Binga mit 2.436 Metern; er grenzt an Mosambik.

Die Tiere in den vielen Wildparks kennt man bisher nur aus  Zoos: Gnus, Löwen, Leoparden, Giraffen, Kudus, Springböcke, Impalas, Nilpferde und natürlich Elefanten. Mana Pools National Park, mit rund 2.500 km² Fläche,  kann man zu Fuß und ohne Führer durchwandern. Er ist übrigens der EINIZIGE Park in Afrika, wo das möglich ist, da es nur hohe Bäume, keinen Busch, also weite Sicht gibt, um Bewegungen der Herden von Elefanten und Löwen abzuschätzen. Achtung: Ungefährlich ist das nicht! Es ist streng verboten, Früchte und Sirup mit in den Park hineinzunehmen,  da einen sonst die Elefanten auseinander nehmen würden. Seit 1984 gehört Mana Pools zum Weltnaturerbe der UNESCO.  Er liegt im nordwestlichen Teil Zimbabwes, im Urungwe District.

Lake Kariba, mit 5200  km² Fläche und an der Grenze zu Sambia gelegen, ist ein durch einen britischen Wasserkraftwerkstaudamm erzeugter Riesensee.
Die Victoria Falls, an der  Grenze Simbabwe /Sambia, sind ein Highlight. Gleich nebenan gibt es Luxushotels und Backpackerhostels im kleinen Ort gleichen Namens. Eigentlich ist der Ort riesig, aber vom schwarzen Viertel bekommt man nur etwas mit, wenn man das möchte. Der Wasserfall ist natürlich atemberaubend. An den Aussichtspunkten gibt es: viele Touristen, viele Schulklassen, viel Hitze! Ich kann die Victoria Falls nur kurz „anreißen“, da man über die Fälle gesondert erzählen muss.

Bulawayo im Südwesten ist mit 1,5 Millionen Einwohnern nach Harare, der Hauptstadt, die zweitgrößte Stadt des Landes. Sie besticht durch kolonialen Charme in verlotterter Moderne, breite Straßen und Kultur. Es gibt hier aber auch Musik, Kinos, Galerien und aktive Künstler, deren Werke europäischer Kunst in Nichts nachstehen. Solche Städte findet man in Afrika nicht so häufig. Daher empfehle ich, sich die Stadt anzusehen  und Künstlern z. B. in den Ateliers der Nationalgalerie zuzuschauen. Das ist wirklich interessant!

Tanz und traditionelle Musik sind immer noch sehr verbreitet. In den Minibussen (Kombibusse mit Sitzen) läuft entweder die südafrikanische Version von Elektro, die hier „Kwaito“ heißt oder die im Land verwurzelte zimbabwische Musik mit traditionellen Elementen der Vorfahren (Tanz, Gesang, Klatschen). Auf einheimische Künstler, wie Oliver Mtukudzi, ist man sehr stolz.  Man darf nicht verpassen, sich Musik zu kaufen. Das Erlebte bleibt dann auch  zu Hause im Gedächtnis.

David hat mit  22 Jahren den südlichen Teil des afrikanischen Kontinents auf sich allein gestellt erkundet. Respekt!  Er wird die Zeit in Simbabwe – wie jeder, der das Land kennenlernen durfte - nie vergessen. Bleibende Erinnerungen an die Menschen, laute, überfüllte Großstädte, und weite, unbebaute Natur. Und: das Licht Afrikas!  Man kann es nicht beschreiben, man muss es gesehen haben.


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